Recht verständlich

Projektstatus: Abgeschlossen (Oktober 2020 bis Dezember 2024)

Ausgangslage

„Zugang zum Recht – für alle!“ Diese Forderung unterstreicht den universellen Anspruch jedes Menschen, unabhängig von den Eigenschaften als Individuum oder der biographischen Situation, in seinen Grundrechten respektiert zu werden. Der Freiheitsentzug als einer der intensivsten Eingriffe des Staates in das Leben seiner Bürger*innen, macht den Strafvollzug zu einem besonders sensiblen Ort, an dem effektiver Rechtsschutz genauso wichtig ist wie für in Freiheit lebende Bürger*innen. Da der Alltag von Gefangenen unvermeidlich durch zahlreiche Regeln und Einschränkungen geprägt ist, muss sich der Zugang zum Recht auch auf die Zeit nach der Verurteilung erstrecken und die indirekt von einer Gefängnisstrafe betroffenen Angehörigen einschließen.

Der Status Quo in Deutschland

Obwohl Gefangene in Deutschland theoretisch Zugang zum Recht haben, verfügen sie, aufgrund von Sprachbarrieren, Analphabetismus, fehlenden finanziellen Ressourcen und mangelndem Wissen über ihre Rechte, in der Realität oft nicht über die Ressourcen und Fähigkeiten, um dies auch geltend zu machen. Dass in dem eingriffsintensiven Bereich Gefängnis Rechtsverletzungen vorkommen und der Freiheitsentzug oftmals negative Auswirkung auf Gefangene und ihre Angehörigen zur Folge hat, wird durch Forschung, Rechtsprechung und Berichte verschiedener Kontrollinstanzen des Strafvollzugs immer wieder gezeigt. So beanstandeten sowohl das „European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment“ als auch die „Nationale Stelle zur Verhütung von Folter“ in ihren Berichten wiederholt zum Teil erhebliche Mängel in Bezug auf die Vollzugsgestaltung. Zudem gibt es immer wieder gerichtliche Entscheidungen, die die Verletzungen von Grund- und Menschenrechten, inklusive der Menschenwürde, rügen.

Kontrollmechanismen

Daraus folgt nicht zwingend, dass es im Strafvollzug regelmäßig, strukturell oder gar bewusst zu entsprechenden Verletzungen kommt. Die gebotene Achtsamkeit resultiert demnach nicht aus dem Misstrauen gegenüber einzelnen Personen, sondern häufig aus der Fehleranfälligkeit eines Systems. In einem Bereich, in dem bereits durch den Freiheitsentzug regelmäßig schwerste Eingriffe erfolgen und gleichzeitig Sicherheit und Ordnung gewahrt sein müssen, besteht immer das Risiko, dass Maßnahmen rechtswidrig sind, was in der Konsequenz Grund- und Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben kann.

Es gibt verschiedene Vorkehrungen und Einrichtungen, die eine Kontrolle des Strafvollzugs gewährleisten sollen. Dazu gehören

  • a) interne Beschwerderechte der Gefangenen,
  • b) Kontrollmöglichkeiten
    • i. von Richter*innen
    • ii. von Abgeordneten,
    • iii. durch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
    • iv. durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
  • c) Es gibt in allen Gefängnissen außerdem Anstaltsbeiräte, die sich aus ehrenamtlichen, nicht im Gefängnis beschäftigten Bürger*innen zusammensetzen.

All diese Einrichtungen und Vorkehrungen sind jedoch aus verschiedenen Gründen in ihrer Kontrollfunktion stark eingeschränkt und gewährleisten keine umfassende und überregionale Transparenz im Strafvollzug. Häufig sind Institutionen, wie das Europäische Komitee oder die Nationale Stelle unterbesetzt und unterfinanziert. Andere Akteure wie Richter*innen sind nicht ausreichend unabhängig von der Justizverwaltung. Auch mangelnde Fachkenntnisse, zum Beispiel der Anstaltsbeiräte, können effektive Kontrolle im Strafvollzug verhindern.

Bemühungen etwas an dieser Situation zu verändern sind rar gesät: Nordrhein-Westfalen hat als einziges Bundesland 2009 nach skandinavischem Vorbild die Institution eines Ombudsmanns geschaffen. Dieser soll als zentrale staatliche Beschwerdeinstanz Problemen und Konflikten von Gefangenen und Bediensteten im Strafvollzug nachgehen. Seit 2011 wird dieses Amt von einem „Vollzugsbeauftragten“ fortgeführt. Auch dieser nimmt „Beschwerden, Anregungen, Beobachtungen und Hinweise“ von „allen am Vollzug Beteiligten“ auf und berät zusätzlich das Justizministerium zur konzeptionellen Fortentwicklung des Strafvollzugs.

Das Strafvollzugsarchiv, welches 1977 an der Uni Bremen gegründet wurde und sich seit 2012 in Dortmund befindet, beantwortet Briefe von Gefangenen zu rechtlichen Fragestellungen und bearbeitet sowie dokumentiert damit Konflikte im Strafvollzug als unabhängige Kontrollinstanz.

Jedoch sind ein Vollzugsbeauftragter, ein gemeinnütziger Verein und die bereits erwähnte Nationale Stelle zur Verhütung von Folter nicht ausreichend, um Transparenz und Kontrolle für ca. 180 Gefängnisse, 60.000 Gefangene und 35.000 Bedienstete in 16 Bundesländern zu gewährleisten und die Öffentlichkeit zu informieren.

Auslageorte von mehrsprachigen Informationsbroschüren zu Gefangenenrechten