Seit 2020 organisieren wir mehrfach jährlich Workshops in der Jugendstrafanstalt Berlin, für die wir mit unterschiedlichen Projektpartner:innen kooperieren.
In unseren Workshopreihen verfolgen wir den Ansatz des gemeinsamen Lernens: der Austausch zwischen Menschen von draußen und inhaftierten Jugendlichen ist für unsere Arbeit von grundlegender Bedeutung.
Wir laden Designer:innen ein, uns für Workshops in die Jugendstrafanstalt zu begleiten, um ihre Praxis den inhaftierten Jugendlichen näherzubringen und sie im eigenständigen Gestalten anzuleiten. In den Workshops aus den Bereichen Keramik, Textildesign, Grafik, Fotografie und Holzhandwerk gestalten wir gemeinsam verschiedenste Objekte und Arbeiten— mit dem Ziel diese in den Alltag der inhaftierten Jugendlichen zu integrieren.
Die entstehenden Objekte werden zu Boten zwischen drinnen und draußen: die Designer:innen arbeiten mit den inhaftierten Jugendlichen im Dialog an gemeinsamen Designs über die Grenzen der Haftanstalt hinweg.
Wir glauben, dass im gemeinsamen kreativen Arbeiten ein grundlegender Beitrag zum Prozess der Resozialisierung der inhaftierten Jugendlichen angestoßen werden kann. In unserer Arbeit erleben wir junge Menschen, die sich in schweren Krisen und außergewöhnlichen Lebenssituationen befinden— vor allem im Kontext der Untersuchungshaft. Das Arbeiten mit den Händen, das Erleben eines kreativen Flows und das selbstbestimmte Gestalten eines Objekts ermöglichen eine Pause vom Alltag in Haft— körperlicher und seelischer Stress können abgebaut werden, auch durch informelle Gespräche, die sich während des gemeinsamen Arbeitens entwickeln.
Viele Jugendliche in Strafhaft machen in unserem Projekt die positive Erfahrung eines produktiven Outputs und lernen etwas Neues— oft ist die Berührung mit den unterschiedlichen handwerklichen Praktiken eine neue Erfahrung.
Studien belegen den positiven Effekt der Beschäftigung mit Kunst und Design im Gefängniskontext auf „desistance“— also das Ablassen von kriminellem Handeln und Verhalten.
Theoretiker wie Richard Senett oder die britische „National Criminal Justice Arts Alliance“ betonen die Bedeutung handwerklichen und kreativen Arbeitens für die Identitätsentwicklung, das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und die Entwicklung neuer Fähigkeiten. Das Machen von Dingen ist eine zentrale menschliche Tätigkeit, die nicht nur nützliche Fähigkeiten aufbaut, sondern auch Resilienz stärken hilft.
Im Kontext der Resozialisierung kann das erforschende und kreative Arbeiten mit den Händen dabei unterstützen eine Identität zu formulieren, die frei von Kriminalität ist.[1]
Wir machen in unseren Workshops die Erfahrung, dass im Erlernen und Anwenden neuer Fähigkeiten auch das Potential steckt, etwas Neues über sich zu lernen: Die inhaftierten Jugendlichen entdecken sich als produktive und selbstwirksame Autoren. In diesen Momenten des Empowerments und in der Zusammenarbeit mit den Designer:innen erweitert sich der Möglichkeitsraum der inhaftierten Jugendlichen.
Auch für die Workshopgebenden ist die Begegnung mit den inhaftierten Jugendlichen eine erweiternde Erfahrung für die eigene Praxis— nach dem Prinzip „While we teach, we learn“.
Die entstehenden Objekte sind Ausdruck der grenzüberschreitenden Kraft der Zusammenkünfte: die Energie und Freude, die in den Prozess geht, ist in ihnen abzulesen und spürbar.
Zu unseren Kooperationspartner:innen gehören die Helmuth-Hübener-Schule der Jugendstrafanstalt Berlin, das Institut für experimentelles Bekleidungsdesgin der Universität der Künste Berlin, S 27 Kunst und Bildung, das Berufsfortbildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes und viele Designer:innen.
1:
Lorraine Gamman und Adam Thorpe
(2018):
Making it out of prison— Designing for change through ‚Making‘.
in Hrsg. Anne Fox und Alison Frater Crime and Consequence,
(2019):
What should happen to people who commit criminal offences?.
Monument Trust,
Unsere Projektarbeit wurde im Jahr 2024 im Rahmen des Programms Playground Berlin durch die Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin gefördert. Vielen Dank!
Corinna Dehn hat ihr Studium 2013 an der Universität der Künste in Berlin mit einem Diplom in Modedesign abgeschlossen. In ihrer beruflichen Laufbahn hat sie als Senior Designerin für Y-3— einer langjährigen Kollaboration zwischen Adidas und dem japanischen Designer Yohji Yamamoto gearbeitet. In ihrer Rolle konzentrierte sie sich auf die Kollektionen für Herrenbekleidung und Accessoires. Sie arbeitete eng mit dem Designteam von Yohji Yamamoto an der Entwicklung und Definition einer innovativen Designsprache, die traditionelle Handwerkskunst und moderne Sportsweartechnologie verbindet. Seit 2020 arbeitet sie als freiberufliche Designerin an unterschiedlichen Projekten im weiter gefassten Designkontext. Für Tatort Zukunft e.V. organisiert und leitet sie Design-Workshops für inhaftierte Jugendliche und setzt ihr Fachwissen ein, um junge Menschen zu inspirieren und zu unterstützen.